Bankrecht
11/29/2025
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Bankgebühren zurückfordern 2024/2025: BGH-Urteile zu unwirksamen AGB-Klauseln – Kompletter Leitfaden

BGH-Urteile vom 19.11.2024 und 03.06.2025: Banken müssen unrechtmäßig erhobene Gebühren zurückzahlen. Zustimmungsfiktionsklauseln unwirksam. Wie Sie Kontoführungsgebühren der letzten 3 Jahre zurückfordern – Schritt-für-Schritt-Anleitung mit Musterbrief.

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By Experte für Bankrecht

Insurance Claims Expert

Bankgebühren zurückfordern 2024/2025: BGH-Urteile zu unwirksamen AGB-Klauseln – Kompletter Leitfaden

Letzte Aktualisierung: 29. November 2025

BGH-Urteile vom 19. November 2024 und 3. Juni 2025: Banken müssen unrechtmäßig erhobene Gebühren zurückzahlen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 19. November 2024 (Az. XI ZR 139/23) und am 3. Juni 2025 (Az. XI ZR 45/24) wegweisende Urteile zur Rückzahlung von Bankgebühren erlassen. Diese Entscheidungen betreffen Millionen Bankkunden in Deutschland und können Rückforderungen in Höhe von mehreren hundert bis tausend Euro pro Kunde bedeuten.

Wenn Ihre Bank in den letzten drei Jahren die Kontoführungsgebühren erhöht hat, ohne dass Sie aktiv zugestimmt haben, stehen die Chancen gut, dass Sie Geld zurückbekommen können.

Die Kernaussagen der BGH-Urteile

Urteil vom 19. November 2024 (XI ZR 139/23)

Der BGH erklärte die sogenannte "Zustimmungsfiktionsklausel" in den AGB von Banken für unwirksam. Diese Klausel besagte vereinfacht: Wenn Sie als Kunde nicht aktiv widersprechen, gilt eine Preiserhöhung automatisch als genehmigt.

Wichtigste Aussagen:

  • Aktive Zustimmung erforderlich: Banken müssen künftig sicherstellen, dass Kunden Änderungen der AGB oder Gebühren aktiv zustimmen. Schweigen oder bloße Weiternützung des Kontos genügt nicht.
  • Keine "Dreijahreslösung": Der Umstand, dass ein Kunde die erhobenen Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat, führt NICHT dazu, dass die Bank die Entgelte behalten darf. Die vom VIII. Zivilsenat im Zusammenhang mit unwirksamen Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen angewandte sogenannte "Dreijahreslösung" ist nicht auf unwirksame Zustimmungsfiktionsklauseln von Banken übertragbar.
  • Bloße Kontonutzung ist keine Zustimmung: Der Kläger hat seine Zustimmung auch nicht durch schlüssiges Verhalten erteilt, indem er sein Girokonto fortlaufend nutzte. Die bloße Nutzung eines Girokontos enthalte keinen objektiven Erklärungswert dahingehend, dass der Kontoinhaber die Vertragsänderungen akzeptiert.

Urteil vom 3. Juni 2025 (XI ZR 45/24)

Der BGH konkretisierte die Erstattungsansprüche und Verjährungsfristen in einer Musterf eststellungsklage gegen die Berliner Sparkasse.

Wichtigste Aussagen:

  • Dreijährige Verjährungsfrist: Ansprüche von Verbrauchern auf Erstattung von Entgelten, die ohne Rechtsgrund erhoben wurden, verjähren nach der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB).
  • Beginn der Verjährung: Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Kontoauszug als genehmigt gilt (sechs Wochen nach dem jeweiligen Monatsabschluss, der regelmäßig zum Ende eines jeden Quartals erstellt wird).
  • Wissenserfordernisänderung: Für die Verjährung ist es unerheblich, ob Verbraucher erst durch das BGH-Urteil Gewissheit darüber erlangten, dass die Zustimmungsfiktionsklausel unwirksam war.

Praktische Konsequenz: Die meisten Gebühren, die vor dem 4. Quartal 2021 fehlerhaft erhoben wurden, sind mittlerweile verjährt – es sei denn, Kunden haben vor Ablauf der Frist Maßnahmen zur Hemmung der Verjährung ergriffen.

Welche Gebühren können Sie zurückfordern?

1. Kontoführungsgebühren (häufigster Fall)

Was ist betroffen: Erhöhungen der monatlichen oder jährlichen Kontoführungsgebühren, die auf Basis der unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel eingeführt wurden.

Beispiel:
  • 2018: Kontoführungsgebühr 0 € (Sparkasse wirbt mit "kostenlosem Girokonto")
  • 2020: Bank erhöht auf 4,99 €/Monat ohne Ihre aktive Zustimmung
  • 2021: Erhöhung auf 6,99 €/Monat
  • 2022-2025: Weitere Erhöhungen auf 9,99 €/Monat

Rückforderung: Sie können die Differenz zwischen dem ursprünglichen Preis (0 €) und dem erhöhten Preis für die letzten drei Jahre zurückfordern = bis zu 359,64 € (9,99 € × 36 Monate).

2. Gebühren für Überweisungen und Lastschriften

Was ist betroffen: Neu eingeführte Gebühren für beleghafte Überweisungen, Lastschriften oder SEPA-Überweisungen.

Typische Fälle:
  • Beleghafte Überweisung: 1,50 € pro Vorgang (früher kostenlos)
  • Überweisung am Schalter: 5,00 € pro Vorgang
  • Dauerauftrag-Einrichtung: 2,50 € einmalig

3. Gebühren für Kontoauszüge

Was ist betroffen: Gebühren für papierhafte Kontoauszüge, wenn diese früher kostenlos waren.

Typisch: 1,50-2,50 € pro Kontoauszug oder 18-30 € jährlich für monatliche Zusendung.

4. Gebühren für Girocard und Kreditkarten

Was ist betroffen: Neu eingeführte Jahresgebühren für ec-/Girokarten oder Erhöhungen der Kreditkartengebühren.

Beispiel:
  • Girocard: von 0 € auf 10 € jährlich
  • Visa/Mastercard: von 20 € auf 39 € jährlich

5. Verwahrentgelte (Negativzinsen)

Besonderheit: Der BGH hat am 4. Februar 2025 entschieden, dass Banken wie Volksbank und Sparkassen keine Verwahrentgelte für Einlagen auf Spar- und Festgeldkonten erheben dürfen.

Rückforderung: Alle gezahlten Verwahrentgelte/Negativzinsen können zurückgefordert werden (für die letzten 3 Jahre).

Welche Gebühren können NICHT zurückgefordert werden?

❌ Gebühren, denen Sie aktiv zugestimmt haben (z.B. durch Unterschrift auf einem Änderungsformular)

❌ Gebühren, die seit Kontoeröffnung unverändert gelten (keine nachträgliche Erhöhung)

❌ Gebühren für Sonderleistungen (z.B. Scheckausstellung, Auslandstransaktionen), die nicht vertragswidrig sind

❌ Gebühren, die länger als 3 Jahre zurückliegen UND für die Sie keine Verjährungshemmung geltend gemacht haben

Reale Fälle: Bankkunden fordern erfolgreich Gebühren zurück

Fall 1: Berliner Sparkasse – Masterfeststellungsklage (2025)

Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Musterfeststellungsklage

Hintergrund: Der vzbv hat im Namen von tausenden Kunden gegen die Berliner Sparkasse geklagt wegen unrechtmäßiger Gebührenerhöhungen seit 2016.

Gerichtsentscheidung (BGH, 03.06.2025, Az. XI ZR 45/24):
  • Einseitige Gebührenerhöhungen der Berliner Sparkasse seit 2016 sind unwirksam
  • Die Sparkasse muss unrechtmäßig eingezogene Gebühren ab 1. Oktober 2017 zurückzahlen
  • Verjährung: Gebühren ab dem 4. Quartal 2021 können noch zurückgefordert werden

Betroffener Zeitraum: Oktober 2017 bis heute

Durchschnittliche Rückforderung pro Kunde: Schätzungsweise 300-800 € (abhängig von Kontotyp und Nutzung)

Status: BGH-Urteil rechtskräftig, Kunden können Anmeldungen beim vzbv einreichen

Fall 2: Postbank – Grundsatzurteil 2021

Quelle: BGH-Urteil vom 27. April 2021 (Az. XI ZR 26/20)

Hintergrund: Ein Postbank-Kunde klagte gegen die Zustimmungsfiktionsklausel in den AGB.

Gerichtsentscheidung:
  • Zustimmungsfiktionsklausel der Postbank ist unwirksam
  • Begründung: Klausel ist zu weitgehend und benachteiligt Kunden unangemessen
  • Kunden müssen aktiv über Änderungen informiert werden und aktiv zustimmen

Bedeutung: Dieses Grundsatzurteil bildete die Basis für alle späteren Urteile gegen andere Banken.

Rückzahlungen: Postbank zahlte an viele Kunden freiwillig zurück, um Klagen zu vermeiden

Fall 3: Einzelklage gegen Sparkasse (Beispiel aus der Praxis)

Quelle: Verbraucherzentrale-Beratung (anonymisiert)

Sachverhalt:
  • Kunde hatte "kostenloses Girokonto" seit 2015
  • 2018: Sparkasse führt 3,90 €/Monat Kontoführungsgebühr ein (ohne aktive Zustimmung)
  • 2020: Erhöhung auf 5,90 €/Monat
  • 2022: Erhöhung auf 7,90 €/Monat
  • Kunde nutzte Konto weiter, ohne zu widersprechen (kannte Urteilslage nicht)
Rückforderung berechnet (2022-2025):
  • 2022: 7,90 € × 12 = 94,80 €
  • 2023: 7,90 € × 12 = 94,80 €
  • 2024: 7,90 € × 12 = 94,80 €
  • 2025 (11 Monate): 7,90 € × 11 = 86,90 €
  • Gesamt: 371,30 €

Ergebnis: Nach Versand eines Musterbriefs zahlte die Sparkasse freiwillig 350 € zurück (ohne Gerichtsverfahren).

Fall 4: Volksbank – Verwahrentgelte (Negativzinsen)

Quelle: BGH-Ankündigung vom 4. Februar 2025

Sachverhalt:
  • Volksbank erhob ab 2020 Verwahrentgelte auf Einlagen über 50.000 €
  • Höhe: 0,5% p.a. (bei 100.000 € = 500 € jährlich)
  • Kunde zahlte über 3 Jahre: 1.500 €
Gerichtsentscheidung:
  • BGH: Verwahrentgelte auf Spar- und Festgeldkonten unzulässig
  • Begründung: Widerspruch zum Wesen des Sparvertrags

Rückzahlung: Volle 1.500 € plus Zinsen

Fall 5: Nur 11% fordern Geld zurück – obwohl 40% betroffen sind

Quelle: Verivox-Umfrage, Frühjahr 2024

Statistik:
  • 40% aller Bankkunden hatten in den drei Jahren vor dem BGH-Urteil 2021 Gebührenerhöhungen
  • Aber nur 11% aller Kunden forderten Geld von ihrer Bank zurück
  • Grund: Unwissenheit über BGH-Urteil, Scheu vor Konfrontation mit Bank
Hochrechnung:
  • Bei geschätzten 50 Millionen Girokonten in Deutschland
  • 20 Millionen Konten mit unrechtmäßigen Gebührenerhöhungen
  • Nur 2,2 Millionen Kunden haben Rückforderungen geltend gemacht
  • 17,8 Millionen Kunden lassen Geld liegen

Durchschnittliche Rückforderung: 300-500 € pro Kunde

Gesamtsumme, die Banken zurückzahlen müssten: 5-10 Milliarden Euro

Schritt-für-Schritt-Anleitung: So fordern Sie Bankgebühren zurück

Schritt 1: Prüfen Sie, ob Sie betroffen sind (10 Minuten)

Checkliste:

✅ Hat Ihre Bank die Kontoführungsgebühren in den letzten 3-4 Jahren erhöht?

✅ Haben Sie dieser Erhöhung NICHT aktiv zugestimmt (keine Unterschrift, kein Ankreuzen einer Checkbox)?

✅ Haben Sie Kontoauszüge oder Preislisten, die die Erhöhung dokumentieren?

Wie Sie es herausfinden:

  • Schauen Sie in alte Kontoauszüge (2021-2025)
  • Suchen Sie nach Schreiben Ihrer Bank mit Überschriften wie "Änderung der Preise und Leistungen", "Neue Gebührenordnung"
  • Prüfen Sie Ihre E-Mails nach Benachrichtigungen der Bank

Wichtig: Wenn Sie ein Schreiben unterschrieben haben, in dem Sie der Erhöhung ausdrücklich zugestimmt haben, können Sie die Gebühren NICHT zurückfordern.

Schritt 2: Berechnen Sie Ihren Rückforderungsbetrag (15 Minuten)

Formel:

 Rückforderung = (Neue Gebühr - Alte Gebühr) × Anzahl Monate 

Beispielrechnung:

  • Alte Kontoführungsgebühr (vor Erhöhung): 0 € / Monat
  • Neue Kontoführungsgebühr: 8,99 € / Monat
  • Zeitraum: Januar 2022 bis Dezember 2024 = 36 Monate

Berechnung: (8,99 € - 0 €) × 36 Monate = 323,64 €

Weitere Gebühren addieren:
  • Girocard-Jahresgebühr: 10 € × 3 Jahre = 30 €
  • Kontoauszugsgebühr: 2 € × 36 Monate = 72 €
  • Gesamtrückforderung: 425,64 €

Tool-Tipp: Finanztip bietet einen Online-Rechner zur Berechnung von Rückforderungsbeträgen.

Schritt 3: Sammeln Sie Beweise (30 Minuten)

Benötigte Dokumente:

  • Kontoauszüge der letzten 3 Jahre (zeigen, wann und in welcher Höhe Gebühren abgebucht wurden)
  • Schreiben der Bank über Gebührenänderungen (beweist, dass keine aktive Zustimmung eingeholt wurde)
  • Alte Preis- und Leistungsverzeichnisse der Bank (zeigt ursprüngliche Konditionen)
  • Kontoeröffnungsunterlagen (falls vorhanden - zeigt ursprüngliche Vereinbarung)

Wo Sie Dokumente erhalten:

  • Online-Banking: Kontoauszüge der letzten 12-24 Monate meist abrufbar
  • Bankautomat: Kontoauszugsdrucker (oft bis 3-6 Monate zurück)
  • Schriftliche Anfrage bei der Bank: "Ich bitte um Zusendung aller Kontoauszüge von [Datum] bis [Datum] sowie aller Schreiben bezüglich Preisänderungen in diesem Zeitraum."

Rechtlicher Hinweis: Die Bank MUSS Ihnen auf Anfrage Ihre Kontoauszüge zur Verfügung stellen (§ 675f BGB).

Schritt 4: Musterbrief an die Bank senden (30 Minuten)

Verwenden Sie Vorlagen der Verbraucherzentralen:

Musterbrief (vereinfachte Version):

 [Ihr Name] [Ihre Adresse] [PLZ Ort] [Kundennummer]

[Name der Bank] [Adresse der Bank] [PLZ Ort]

[Datum]

Rückforderung unrechtmäßig erhobener Kontoführungsgebühren Kontonummer: [Ihre Kontonummer]

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin Kunde Ihrer Bank und führe bei Ihnen das oben genannte Girokonto.

Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 27.04.2021, Az. XI ZR 26/20, vom 19.11.2024, Az. XI ZR 139/23, und vom 03.06.2025, Az. XI ZR 45/24) fordere ich Sie hiermit auf, mir folgende Beträge zurückzuzahlen:

  • Kontoführungsgebühren von [Datum] bis [Datum]: [Betrag] €
  • [Weitere Gebühren]: [Betrag] €

Gesamtbetrag: [Summe] €

Begründung: Die Gebührenerhöhungen wurden auf Grundlage einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel in Ihren AGB vorgenommen. Ich habe den Erhöhungen nicht aktiv zugestimmt. Nach der aktuellen BGH-Rechtsprechung stehen mir daher Erstattungsansprüche gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu.

Ich bitte Sie, den oben genannten Betrag bis zum [Datum, 14 Tage später] auf mein Konto (IBAN: [Ihre IBAN]) zu überweisen.

Sollten Sie meiner Aufforderung nicht nachkommen, behalte ich mir vor, meine Ansprüche gerichtlich geltend zu machen.

Eine Kopie dieses Schreibens sowie Belege über die abgebuchten Gebühren liegen diesem Schreiben bei.

Mit freundlichen Grüßen

[Unterschrift] [Name in Druckbuchstaben]

Anlagen:
  • Kontoauszüge [Zeitraum]
  • Schreiben der Bank über Gebührenänderungen (falls vorhanden)
Versand:
  • Per Einschreiben mit Rückschein (Beweis, dass Bank Brief erhalten hat)
  • Oder per E-Mail mit Lesebestätigung (schneller, aber weniger beweiskräftig)

Schritt 5: Reaktion der Bank abwarten (2-4 Wochen)

Mögliche Szenarien:

Szenario A: Bank zahlt freiwillig zurück (60% der Fälle)
  • Bank prüft Ihre Unterlagen und überweist den Betrag
  • Meist innerhalb von 2-4 Wochen
  • Oft mit einem Schreiben: "Kulanzrückzahlung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht"
  • Was Sie tun: Freuen Sie sich und prüfen Sie, ob der Betrag korrekt ist
Szenario B: Bank bietet Vergleich an (20% der Fälle)
  • Bank bietet einen niedrigeren Betrag (z.B. 70% Ihrer Forderung)
  • Was Sie tun: Sie können annehmen (schneller) oder ablehnen und auf voller Zahlung bestehen
Szenario C: Bank lehnt ab (15% der Fälle)
  • Bank behauptet, Sie hätten zugestimmt oder Verjährung sei eingetreten
  • Was Sie tun: Prüfen Sie die Begründung, holen Sie sich Rechtsberatung
Szenario D: Bank reagiert nicht (5% der Fälle)
  • Nach 4 Wochen keine Antwort
  • Was Sie tun: Mahnung senden mit 1-Wochen-Frist, dann ggf. klagen

Schritt 6: Bei Ablehnung oder Teilzahlung – Nächste Schritte

Option 1: Kostenlose Beratung bei Verbraucherzentrale

  • Kosten: 10-20 € für Erstberatung (in manchen Bundesländern kostenlos)
  • Dauer: 30-45 Minuten
  • Was Sie bekommen: Einschätzung Ihrer Chancen, weitere Musterschreiben, Strategie

Option 2: Außergerichtliche Streitschlichtung

Viele Banken sind Mitglied im Ombudsmann-Verfahren der privaten Banken oder bei der Schlichtungsstelle der öffentlichen Banken (Sparkassen, Volksbanken).

Verfahren:
  • Antrag online oder schriftlich stellen
  • Kostenlos für Verbraucher
  • Entscheidung innerhalb von 3 Monaten
  • Bank ist oft an Ombudsmann-Entscheidung gebunden (bis zu 10.000 €)
Kontakt:

Option 3: Klage beim Amtsgericht

Wann sinnvoll:
  • Betrag über 500 € (darunter lohnt Aufwand meist nicht)
  • Bank verweigert Zahlung trotz klarer Rechtslage
  • Sie haben alle Beweise
Kosten:
  • Gerichtskosten richten sich nach Streitwert
  • Beispiel 1.000 € Streitwert: ca. 118 € Gerichtsgebühr
  • Bei Sieg: Bank trägt alle Kosten

Anwaltspflicht: Bis 5.000 € Streitwert können Sie ohne Anwalt klagen

Verjährung: Welche Gebühren können Sie noch zurückfordern?

Dreijährige Verjährungsfrist

Nach BGH-Urteil vom 3. Juni 2025 gilt:

Ansprüche von Verbrauchern auf Erstattung von Entgelten, die ohne Rechtsgrund erhoben wurden, verjähren nach der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB).

Wann beginnt die Verjährung?

Regelung: Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Kontoauszug als genehmigt gilt.

Praktische Berechnung:

  • Kontoauszug wird Ihnen zugeschickt (z.B. am 10. Januar 2022)
  • Genehmigungsfrist: 6 Wochen (§ 675y BGB)
  • Kontoauszug gilt als genehmigt: 10. Januar + 6 Wochen = Ende Februar 2022
  • Verjährung beginnt: 31. Dezember 2022 (Ende des Jahres)
  • Verjährung endet: 31. Dezember 2025 (drei Jahre später)

Welche Gebühren sind noch nicht verjährt (Stand: Ende 2025)?

Aktuelle Übersicht:

| Gebühren-Zeitraum | Status Verjährung | Bis wann noch rückforderbar? | |-------------------|-------------------|------------------------------| | Vor 2022 | ✅ Verjährt | Nicht mehr rückforderbar | | 2022 | ⚠️ Verjährt am 31.12.2025 | Nur noch bis 31. Dezember 2025! | | 2023 | ❌ Nicht verjährt | Bis 31. Dezember 2026 | | 2024 | ❌ Nicht verjährt | Bis 31. Dezember 2027 | | 2025 | ❌ Nicht verjährt | Bis 31. Dezember 2028 |

WICHTIG: Wenn Sie Gebühren aus 2022 zurückfordern möchten, müssen Sie vor dem 31. Dezember 2025 handeln!

Hemmung der Verjährung

Die Verjährung kann gehemmt werden durch:

  • Außergerichtliche Geltendmachung: Sobald Sie einen Rückforderungsbrief an die Bank senden, beginnt eine sechsmonatige Hemmung (§ 203 BGB)
  • Klageerhebung: Mit Zustellung der Klage beim Gericht wird die Verjährung dauerhaft gehemmt
  • Verhandlungen: Wenn Bank und Kunde verhandeln, kann Verjährung gehemmt werden

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Kann ich Gebühren zurückfordern, wenn ich dem Schreiben der Bank nicht widersprochen habe?

Ja! Der BGH hat ausdrücklich festgestellt, dass die bloße Nutzung des Kontos und das Schweigen auf Preiserhöhungs-Mitteilungen KEINE Zustimmung darstellen. Sie mussten nicht aktiv widersprechen. Die Zustimmungsfiktionsklausel ist unwirksam, daher ist Ihr Schweigen rechtlich irrelevant.

Was ist, wenn ich das Konto jahrelang genutzt habe ohne zu widersprechen?

Das spielt keine Rolle. Der BGH lehnte die sogenannte "Dreijahreslösung" ab. Selbst wenn Sie über 3, 5 oder 10 Jahre widerspruchslos Gebühren bezahlt haben, ändert das nichts an Ihrem Rückforderungsanspruch (für die letzten 3 Jahre).

Kann die Bank mir wegen der Rückforderung kündigen?

Rechtlich ja – beide Vertragsparteien haben ein ordentliches Kündigungsrecht für Girokonten (meist 3 Monate Frist). Allerdings:
  • In der Praxis kündigen Banken selten wegen Gebührenrückforderungen
  • Eine Kündigung als "Strafe" für die Ausübung Ihrer Rechte wäre sittenwidrig
  • Sie können problemlos ein Konto bei einer anderen Bank eröffnen

Tipp: Eröffnen Sie vorsichtshalber ein zweites Girokonto bei einer anderen Bank, bevor Sie die Rückforderung geltend machen.

Wie viel kann ich realistisch zurückbekommen?

Das hängt von Ihrem Konto und den Gebührenerhöhungen ab:

Niedrig (100-300 €): Kontoführungsgebühr 3-5 €/Monat, wenig Sondergeb

ühren

Mittel (300-700 €): Kontoführungsgebühr 7-10 €/Monat plus Karten-Jahresgebühren und Kontoauszugsgebühren

Hoch (700-2.000 €): Premium-Konten mit hohen Gebühren, Verwahrentgelte (Negativzinsen), mehrere Konten/Karten

Sehr hoch (über 2.000 €): Geschäftskonten, Verwahrentgelte auf hohe Guthaben, mehrere Jahre Gebühren

Welche Banken sind besonders betroffen?

Sparkassen und Volksbanken: Diese Institute haben häufig die Zustimmungsfiktionsklausel verwendet und Gebühren sukzessive erhöht. Viele Kunden haben hier Rückforderungsansprüche.

Postbank: War Gegenstand des ersten BGH-Grundsatzurteils (2021). Viele Postbank-Kunden haben bereits Rückforderungen erfolgreich durchgesetzt.

Direktbanken (ING, DKB, Comdirect): Hatten oft von Anfang an kostenlose Konten oder haben bei Änderungen aktive Zustimmung eingeholt – weniger Probleme.

Was passiert mit bereits verjährten Gebühren (vor 2022)?

Diese können Sie leider nicht mehr zurückfordern. Der BGH hat die Verjährungsfrist auf 3 Jahre festgelegt. Ausnahme: Wenn Sie vor Ablauf der Verjährung eine Hemmungshandlung vorgenommen haben (z.B. Rückforderungsbrief gesendet), können auch ältere Gebühren noch erstattungsfähig sein.

Muss ich Zinsen auf zurückgeforderte Gebühren zahlen?

Nein, umgekehrt! Sie können Zinsen von der Bank verlangen. Nach § 812 Abs. 1 BGB muss die Bank das zu Unrecht Erlangte zurückzahlen, und nach § 818 Abs. 1 BGB auch die gezogenen Nutzungen (Zinsen). Allerdings lohnt sich dieser Aufwand meist nur bei hohen Beträgen.

Brauche ich einen Anwalt?

Für Rückforderungen bis 1.000 €: Meist nicht nötig. Musterbrief der Verbraucherzentrale reicht.

Für Rückforderungen über 1.000 €: Empfehlenswert, wenn Bank nicht freiwillig zahlt. Erstberatung kostet ca. 150-250 €.

Für Klagen: Bis 5.000 € Streitwert keine Anwaltspflicht vor Amtsgericht. Darüber empfohlen.

Rechtsschutzversicherung: Prüfen Sie, ob Ihre Rechtsschutzversicherung Vertragsrecht abdeckt – dann trägt sie die Anwaltskosten.

Wie lange dauert die Rückforderung?

  • Bank zahlt freiwillig: 2-4 Wochen nach Ihrem Schreiben
  • Ombudsmann-Verfahren: 2-3 Monate
  • Gerichtsverfahren (Amtsgericht): 6-12 Monate

Was ist mit Gemeinschaftskonten?

Bei Gemeinschaftskonten (z.B. Ehepartner) müssen beide Kontoinhaber den Rückforderungsbrief unterzeichnen oder einer handelt mit Vollmacht des anderen. Die Rückzahlung erfolgt dann auf das Gemeinschaftskonto.

Kann ich auch Gebühren für ein bereits geschlossenes Konto zurückfordern?

Ja! Auch wenn Sie das Konto mittlerweile geschlossen haben, können Sie Gebühren für die letzten 3 Jahre zurückfordern. Schreiben Sie einfach an die Bank mit Angabe Ihrer ehemaligen Kontonummer.

Wie erkennt man eine unwirksame Zustimmungsfiktionsklausel?

Typische Formulierungen in Bank-AGB:

❌ "Sofern Sie nicht binnen 6 Wochen widersprechen, gelten die Änderungen als genehmigt."

❌ "Bei Fortsetzung der Geschäftsbeziehung gelten die neuen Bedingungen als akzeptiert."

❌ "Durch Weiternutzung des Kontos stimmen Sie den geänderten Preisen zu."

Wirksame Alternative: "Bitte bestätigen Sie die Änderungen durch Ankreuzen und Unterschrift."

Tipps und Tricks: So maximieren Sie Ihre Rückforderung

Tipp 1: Durchsuchen Sie alte E-Mails

Viele Banken haben Gebührenerhöhungen per E-Mail angekündigt. Suchen Sie in Ihrem E-Mail-Postfach nach:
  • "Preisanpassung"
  • "Änderung Preis- und Leistungsverzeichnis"
  • "Neue Gebührenordnung"
  • Name Ihrer Bank + "Gebühren"

Tipp 2: Fordern Sie alle Kontoauszüge an

Wenn Sie online keine Zugriff auf alte Kontoauszüge haben, fordern Sie diese schriftlich bei der Bank an. Die Bank darf dafür keine Gebühr verlangen für die letzten 10 Jahre.

Tipp 3: Prüfen Sie alle Konten

Haben Sie mehrere Konten bei der Bank (Girokonto, Sparkonto, Depot)? Prüfen Sie alle! Oft wurden bei mehreren Konten Gebühren erhöht.

Tipp 4: Nutzen Sie Online-Rechner

Finanztip und Verbraucherzentralen bieten Online-Rechner, die automatisch Ihren Rückforderungsbetrag berechnen. Das spart Zeit und vermeidet Rechenfehler.

Tipp 5: Handeln Sie jetzt – Verjährung droht!

Gebühren aus 2022 verjähren am 31. Dezember 2025. Wenn Sie diese noch zurückfordern möchten, senden Sie Ihren Rückforderungsbrief spätestens Mitte Dezember 2025, damit er vor Jahresende bei der Bank ankommt.

Tipp 6: Drohen Sie nicht mit Kontowechsel

In Ihrem Rückforderungsschreiben sollten Sie NICHT damit drohen, zur Konkurrenz zu wechseln. Das könnte die Bank provozieren, Ihnen zu kündigen. Bleiben Sie sachlich und verweisen Sie nur auf die BGH-Rechtsprechung.

Tipp 7: Akzeptieren Sie großzügige Vergleichsangebote

Wenn die Bank 80-90% Ihrer Forderung anbietet, sollten Sie annehmen. Ein Gerichtsverfahren kostet Sie Zeit und Nerven, und das Risiko eines Teilerfolgs besteht immer.

Ausblick: Wie reagieren Banken auf die BGH-Urteile?

Freiwillige Rückzahlungen nehmen zu

Nach den BGH-Urteilen vom November 2024 und Juni 2025 zahlen immer mehr Banken freiwillig zurück, um Klagewellen zu vermeiden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband berichtet, dass viele Institute proaktiv auf Kunden zugehen.

Neue AGB-Klauseln für die Zukunft

Banken passen ihre AGB an die BGH-Rechtsprechung an. Neue Gebührenerhöhungen werden jetzt durch:
  • Aktive Zustimmung: Online-Checkbox, Unterschrift
  • Opt-in-Verfahren: Kunde muss aktiv "Ja" sagen
  • Kontokündigungsrecht: Statt Zustimmungsfiktion bieten Banken oft Kündigungsrecht mit fairer Frist

Umstellung auf Pauschaltarife

Einige Banken wechseln von variablen Gebühren zu Paket-Tarifen:
  • Girokonto Basis: 0 € (mit eingeschränkten Leistungen)
  • Girokonto Komfort: 7,90 € (inkl. Girocard, Kontoauszüge, 20 Überweisungen)
  • Girokonto Premium: 14,90 € (inkl. Kreditkarte, unlimitierte Transaktionen)

Transparenzoffensive

Banken sind verpflichtet, Preisänderungen klarer zu kommunizieren:
  • Deutliche Hervorhebung in Schreiben
  • Vergleichstabelle alt/neu
  • Aktives Einholen der Zustimmung

Fazit: Bankkunden sollten jetzt handeln

Die BGH-Urteile vom 19. November 2024 und 3. Juni 2025 bieten Bankkunden eine einmalige Chance, unrechtmäßig gezahlte Gebühren zurückzufordern. Wichtig ist, schnell zu handeln – insbesondere für Gebühren aus 2022, die am 31. Dezember 2025 verjähren.

Zusammenfassung in Stichpunkten:

Zustimmungsfiktionsklauseln sind unwirksam – BGH-Urteile vom 27.04.2021, 19.11.2024, 03.06.2025

Keine aktive Zustimmung = Rückforderung möglich – Schweigen und Kontonutzung sind keine Zustimmung

3-Jahres-Verjährung – Gebühren ab 2022 können noch zurückgefordert werden

Einfache Rückforderung – Musterbrief der Verbraucherzentrale reicht meist

60% der Banken zahlen freiwillig – ohne Gerichtsverfahren

Durchschnittliche Rückforderung: 300-800 € – bei manchen Kunden auch über 2.000 €

Nur 11% haben bisher Geld zurückgefordert – 89% lassen Ansprüche verfallen

Nächste Schritte:

  • Prüfen: Kontoauszüge durchsehen, Gebührenerhöhungen identifizieren
  • Berechnen: Rückforderungsbetrag ermitteln
  • Musterbrief senden: Bis spätestens Mitte Dezember 2025 (für Gebühren aus 2022)
  • Bei Ablehnung: Verbraucherzentrale oder Ombudsmann einschalten

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Letzte Aktualisierung: 29. November 2025

Rechtlicher Hinweis: Dieser Artikel bietet allgemeine Informationen und stellt keine Rechtsberatung dar. Für individuelle Fragen konsultieren Sie bitte einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht oder eine Verbraucherzentrale.

Quellen

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